Offener Brief an Barbara

Ich nehme mir in diesen Zeiten die Freiheit, einen offnen Brief an Babara Meyer-Gluche zu schreiben, den ich hier veröffentlichen möchte.

Ich bin seit über 25 Jahren Mitglied der Grünen im Saarland. Solche Situationen hat es durch den jetzigen Spitzenkandidaten der Grünen für die Bundestagswahl in den letzten Jahren immer wieder gegeben. Jeder, der die internen Vorgänge bei uns Saargrünen verfolgen konnte, wusste, das Hubert Ulrich mitnichten zurückgetreten war. Und jeder konnte sich an den 10 Fingern seiner Hand abzählen, was geschehen würde.

Hier also der Brief an Babara, der als pdf-file auch zum Download bereitsteht.

Liebe Barbara,

ich bin seit weit über 25 Jahren Mitglied bei den Saargrünen. Und ich war lange Zeit auch in dem Kreis der Menschen, die Hubert Ulrich um sich versammelt hatte um seine politischen Ziele zu erreichen. Insofern muss ich bekennen, dass auch ich an der heutigen Situation eine Mitschuld trage. Und ich kann Dir versichern, dass es mir aus tiefsten Herzen leid tut. Meine damalige Vasallentreue zu einem Menschen, der keine Skrupel kennt. Er opferte und opfert jeden, der in seinen Augen auch nur ansatzweise den Verdacht erregt, er könne gegen ihn arbeiten. In der Zeit der Berichterstattung über den ehemaligen Präsidenten Trump sind mir sehr oft Verhaltensmuster aufgefallen, die ich eben auch bei unserem jetzigen Spitzenkandidaten für den kommenden Bundestagswahlkampf entdecke.

Gewogen, gewogen und für zu leicht befunden. Man findet den Spruch in der Bibel, Daniel 5,25. In der Geschichte geht es um Belzasar, den Sohn des Nebukadnezar, damals Herrscher von Babylon. Er hatte wohl Jerusalem erobert und den Tempel geplündert. In Babylon feierte er seinen Sieg, indem er aus dem Kelch Gottes trank und ihn verhöhnte. Das Grinsen und das Lachen allerdings ist ihm im Hals stecken geblieben, als er eben jene Worte an der Wand lesen konnte, die sich dort mit Feuer und Flammen einbrannten: „Mene mene tekel u-pharsin“. Übersetzt heißen sie „gewogen, gewogen und für zu leicht befunden.“ Rembrandt stellt das sehr schön in seinem Gemälde „das Gastmal des Belsazar“ dar. 

Ich erzähle Dir die Geschichte, weil sie mich an unsere jetzige Situation bei uns Saargrünen erinnert. Die damals von König Belzasar gerufenen Magier und Schriftdeuter konnten mit den Worten nichts anfangen. Trotzdem, so steht es in der Bibel, wurde König Belzasar von seinen Untergebenen noch in der Nacht umgebracht.

Versteh mich bitte nicht falsch. Ich möchte hier und an der Stelle nicht zu einem Tötungsdelikt aufrufen. Aber so wie die damals gerufenen Schriftgelehrten und Magier scheinst auch Du und die Deinen die kryptischen Worte nicht entschlüsseln zu können. Das ist schade. Denn eigentlich, dass empfand ich jedenfalls aus der Ferne, waren wir Saargrünen mit Dir, Tina und auch Markus irgendwie auf einem ganz guten Weg. Ich bin bestimmt kein Fan von Tina, aber nach all den Jahren, die Tina für die Grünen im Saarland gearbeitet hat, wäre sie doch eigentlich in jeder Hinsicht eine sehr gute Kandidatin für den Bundestag gewesen.

Annalena Charlotte Alma Baerbock, unsere Kandidatin für das Amt der Bundeskanzlerin (wer von uns beiden hätte das vor einem Jahr gedacht), soll nun von einem Rudel Männer niedergemacht werden, denen es nicht darum geht, dass da die Person Annalena Baerbock Fehler gemacht hat. Es geht ihnen, den Laschets, Scholls und Merz`s in der Hauptsache darum, die alten Konstellationen zu bewahren und die Frau wieder auf den Platz zu setzen, der ihr nach Meinung dieses Rudels, gebührt. Annalena kämpft hier nicht egoistisch um das Amt der Bundeskanzlerin. Sie kämpft darum, das junge Mütter sich auf hohe und höchste Posten bewerben können. Dass solche Stellen – auch heute noch eine Männerdomaine – jetzt, genau jetzt, auch von jungen Müttern besetzt werden können, wenn man(n) sie nur lässt. 

Wie vereinbart sich das mit Deinem Verhalten zur Listenaufstellung zur Bundestagswahl. Ist Dir eigentlich auch nur annähernd bewusst, welche Mitschuld Du daran trägst, dass wir wieder einmal scheitern, weil ein alter Mann glaubt, er müsse noch einmal abfeiern? Den Becher, der nie mit Wein hätte gefüllt werden dürfen, hochhält und alles verrät, woran wir Grüne glauben? 

Und wieso lässt Du es zu, dass eine Frau wie Irina Gaydukova auf Platz zwei der Liste kandidiert? Hast Du gesehen, wie die Aufnahmen von Irina auf dem Landesparteitag der Grünen zur Listenaufstellung Bundestagswahl 2021 in den sozialen Netzwerken so richtig viral gehen. Die Frau ist ganz sicher sympathisch, aber ihr dürft doch nicht – egal ob Mann oder Frau – so jemanden ermutigen, auf die Bühne zu gehen und dort auf (einfache) Fragen Rede und Antwort zu stehen. Im Augenblick hast Du mit Deinem Verhalten diese Frau vernichtet. Du und auch die anderen, ihr hättet sie doch beschützen müssen. Mal abgesehen davon, dass sich nun ganz Deutschland über eine nette, tüchtige und wahrscheinlich sogar höchst liebenswerte Frau totlacht, ist das für die Bundestagswahl keine Hilfe. 

Allein das Muster hat sich ja wiederholt. Nur das Presseecho blieb im Saarland. Ich rede von Trosten Reif. Wie abscheulich war denn diese Vorstellung. Torsten, den ich nun wirklich sehr lange kenne (ich glaube, ich bin sogar länger in der Partei als er), ist sicher kein Freund. Aber es gibt hier auch das Wort Parteifreund. Und das sollten wir ja irgendwie alle sein. Wieso hast Du also Deinem Parteifreund nicht von der Kandidatur abgeraten, nachdem die SPD eine parteilose, kompetente Kandidatin auf die Bühne hievte. Es hätte uns, auch im Kampf um mehr Geschlechtergerechtigkeit, gut zu Gesicht gestanden.

Du wirst bald Mama. Und ich denke, dass das ein besonderer Moment in Deinem Leben sein wird. Ich hoffe sehr, dass Du dann dieses Verantwortungsgefühl erfahren wirst, das Du uns allen eigentlich schon hier und heute hättest zeigen müssen. Die Courage dazu hast Du.

Bleibt mir abschließend nochmal der Verweis auf Belzasar und Hubert Ulrich: Mene mene tekel u-pharsin. Bitte, bringt ihn nicht um. Aber vielleicht könntet ihr ihn in seinen wohlverdienten Ruhestand schicken. Das wäre sicher ein guter Anfang, auch für eine Versöhnung unter uns Saargrünen.